Der Weißbär in London (3)

 

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Der Weißbär in London

Weißbär-Episode 2 (Teil 3)

 

Der Weißbär ging nun zur nächsten U-Bahn-Station. Dort stand so ein Gelhaartyp, der sich gerade eine „Finanzielle Zeit“ reinzog, um besonders wichtig zu wirken.

Der Weißbär fragte ihn, was er für ein U-Bahn-Ticket besitzt, wo es erhältlich ist und wie es überhaupt aussieht. Der Mann zückte seine Brieftasche und holte sein Ohne-Limit-Ticket (bis zum Lebensende - oder auch nicht) heraus, welches ihm der Weißbär gleich mal wegnahm.  Danach verschwand er sofort durch die Absperrung. Der Mann wollte ihm folgen, doch ohne Ticket kam er ja nicht durch die Absperrung. Und als er drüberspringen wollte, schnappten ihn sich zwei Orangejacken und zerrten ihn zum Ausgang, auch wenn er sich noch so dagegen sträubte.

Also fuhr der Weißbär nun „offiziell“ ein paar Runden mit der U-Bahn. Als er ausstieg, befand er sich in einem Beton- und Stahlklotzviertel. Kurz danach entdeckte er die Börse. Nach der Pleite mit seinen Fischgräten-Aktien wollte er erneut sein Glück versuchen. In der Börse angekommen, sah er doch, dass die Soja-Sprossen Import Company voll im Keller war. Ein total zugekiffter Börsianer verkaufte dem Weißbären hunderttausend Anteile für einen defekten Fischgrätenentgräter.

Der Weißbär setzte nun das Gerücht in die Welt, dass die Queen konventionelle Grundnahrungsmittel mit 20% Mehrwertsteuer versehen will, um die leeren Kassen aufzufüllen. Außerdem soll ein britischer Wissenschaftler einen Kraftstoff aus Sojaöl entwickelt haben, der spottbillig ist und keine Kohlendioxid-Emission hinterlässt. Verzweifelt versuchten nun alle, irgendwelche Sojaaktien zu ergattern. Schon nach zwei Stunden stieg eine Soja-Sprossen Import Aktie auf £600. Kontrolliert bot der Weißbär seine Aktien auf dem Weltmarkt an (für „gute“ Kunden natürlich mit „nur“ 10% Provision). Zuvor richtete unser Weißbär noch ein Nummernkonto in der Schweiz ein, wo sich nach weiteren zwei Stunden rund £700 Millionen befanden.

Doch nun wollte er die Leute nicht länger im Dunkeln tappen lassen und rief durch ein Mikrofon: „Reingelegt!“

Zuerst wusste natürlich niemand, was eigentlich gemeint war, doch der heiße Draht zur Queen ließ dann doch durchsickern, dass es sich hier um einen spekulativen Gag handelt. Das totale Chaos brach aus. Die Fetzen flogen, Computerbildschirme sausten durch den Raum, selbst Mordgedanken wurden offensichtlich ausgerufen. Das Telefonnetz brach dann auch noch zusammen.

Anschließend mietete der Weißbär erst mal ein Hotelzimmer und nahm ein Bad in gekühltem Champagner (die Flaschen wählte der Hotelchef für den „exklusiven“ Gast vorher persönlich aus).

Am nächsten Tag ging der Weißbär in den Zoo. Er ärgerte sich, dass dort Tiere (sogar Bären!) wie im Knast eingesperrt waren, und Tausende von Besuchern den Tieren ihre dumme Fresse präsentieren.

Bei seinem Rundgang traf er auf einen Sumatra-Tiger, welcher gelangweilt in seinem Möchte-gerne-Urwald saß und auf die nächste Fütterung wartete.

„Warum läufst du frei herum?“ fragte der Tiger den Weißbären.

„Na, du Miezekatze. Warum stellst du mir so unqualifizierte Fragen? Ich habe doch kein Verbrechen begangen.“

„Ich auch nicht.“ versicherte der Tiger.

„Und warum bist du dann eingesperrt?“

„Ich bin hier, weil ich ein vom Aussterben bedrohte Art bin. Ich bin eben einzigartig, so dass mich die Menschen bewundern.“

„Da bin ich doch lieber zweideutig, aber dafür frei. Außerdem bist du doch so einsam in deinem Knast.“

Der Tiger erwiderte: „Ich kann mich nicht beschweren. Jeden Tag gutes Essen, angenehme Temperaturen...“

„Und wann kommt eine Tigerin vorbei?“ fragte der Weißbär.

„Eine Tigerin?“ fragte der Tiger, als wenn es um Außerirdische geht.

„Ja genau, die weibliche Version des Tigers.“

„Davon habe ich noch nicht gehört.“

„Und da wunderst du dich, weshalb deine Art bald ausstirbt.“

Der Weißbär hatte nun kein Interesse mehr, sich mit dem Tiger zu unterhalten, zumal er sich ja für was besseres hielt, aber andererseits überhaupt keinen Plan von der realen Welt hatte.

Da er die Tiere sowieso nicht befreien konnte, verließ der Weißbär schon bald den Zoo. Er ging durch einen Park. Am anderen Ende des Parks war ein Gebäude, wo eine große Menschenmasse anstand. Gab es etwa Bananen zum halben Preis? Oder fand hier eine Party stand, auf die der Weißbär noch nicht eingeladen war? Das zweite hielt der Weißbär für wahrscheinlicher, denn warum sollten Bananen ausgerechnet jetzt billiger werden? Er stellte sich ziemlich weit vorne an, um nicht so lange zu warten. Die Menschen hinter ihm fanden das gar nicht so gut und riefen so was wie „Hinten anstellen!“ Der Weißbär hatte zufälligerweise noch ein bisschen Kleingeld einstecken (sogar die auffälligen 1-Pfund-Stücke), welches er doch gleich mal auf dem Fußweg verteilte. Ein Großteil der Menschen schien dem „Geldregen“ nicht widerstehen zu können und prügelten sich um die paar Münzen, die nun herrenlos herumlagen. Nun stand der Weißbär also hinten und niemand konnte sich aufregen.

Im Gebäude angekommen, ging es im nicht weißbärengerechten Fahrstuhl bergauf. Oben hatte die Party bereits angefangen. Einige der Gäste schienen aber ziemlich gelangweilt zu sein, denn sie standen nur herum und bewegten sich nicht einmal. Der Weißbär wollte nicht unhöflich sein und drängelte so einem vereinzelt herumstehenden Gast mit geschmacklosem Anzug doch gleich mal ein Gespräch auf. Doch dieser antwortete nicht. Nicht einmal gezuckt hat er. Und das, obwohl der Weißbär sogar den auf dem Index stehenden Schneehasenwitz erzählte, bei dem sich schon einige Nicht-Schneehasen totgelacht haben sollen. Da ging der Weißbär weiter. So eine langweilige Party hatte er noch nicht erlebt. Andere Gäste schienen sich jedoch köstlich zu amüsieren. Sie schmissen sich förmlich an die möglicherweise schüchternen und verkrampften Leute und ließen sich sogar mit ihnen fotografieren.

Im nächsten Raum waren einige Musiker, die aber gar keine Musik aus ihren Instrumenten herausquetschten. Der Weißbär dachte, er wäre in einem Irrenhaus und wollte nun so schnell wie möglich wieder hier heraus. Über Umwege fand er den Ausgang auch. Ihn wunderte, dass immer noch so viele Leute hineinwollten. ‘Diese Irren müssen ja eine große Verwandtschaft haben.’ dachte sich der Weißbär noch.

Er überlegte, was er nun machen könnte. Zwischendurch fiel im auf, dass er die Nummer von seinem Schweizer Konto verloren hatte. Sie war ja auch nur unleserlich auf einem uralten zerknitterten Kassenzettel notiert. Zum Glück hatte der Weißbär seine Hotelrechnung inklusive einem täglichen Champagnerbad schon für ein Jahr im voraus bezahlt. Und außerdem bedeutet unserem Weißbären menschlicher Reichtum doch überhaupt nichts.

Er fuhr nun wieder ein paar Runden mit der U-Bahn. Als er ausstieg, stand er schon bald vor einem Museum. Der Weißbär dachte sich, dass er auch mal was für seine kulturelle Bildung tun müsste und ging hinein. In der Eingangshalle glotzte ihn doch gleich so ein großes Dinosaurierskelett an. Als er ein paar Runden durch die Gegend lief, sah er hinter Glas einen ausgestopften Weißbären. Da fing unser Weißbär an mit weinen, denn vielleicht war da ja sein Urgroßvater oder zumindest dessen Onkel ausgestellt. Zu allem Unglück kam auch noch ein Kind vorbei, was zu seiner Mutter rief:

„Mami, schau mal, der Roboter-Weißbär sieht aus wie echt.“ Nun hatte der Weißbär keine Lust mehr auf Museen, wo die Tierwelt doch ganz schön durch den Dreck gezogen wird. Roboter-Weißbären! Wo gibt’s denn so was? Um sich wieder aufzumuntern, fuhr der Weißbär noch mal bei Jane vorbei, welche sich natürlich freute. Der Weißbär sagte:

„Ich werde morgen früh abreisen. Ich glaube, ich habe erst einmal genug von eurer Welt.“

Jane sagte: „Na gut. Wenn du mal wieder in der Nähe bist, kannst du ja mal vorbeischauen.“

Am nächsten Morgen fuhr der Weißbär schon ganz früh zum Flughafen, um gleich die erste Concorde zu erwischen. Durch ein geschicktes Ablenkungsmanöver „lieh“ sich der Weißbär auch gleich mal ein Ticket bei einem beschäftigten Geschäftsmann aus. Der Weißbär dachte sich, sein Termin ist bestimmt nicht so dringend, und da macht es ja wohl nichts, wenn er die nächste Maschine nimmt.

Als das Flugzeug in der Luft war, fragte der Weißbär die Stewardess:

„Machen wir diesmal wieder eine Klopause in Grönland? Ich wäre nämlich dann gleich zu Hause.“

Die Stewardess entgegnete: „Diesmal sind die Bordtoiletten in Ordnung. Wir werden also direkt in New York landen.“

Das passte dem Weißbären überhaupt nicht. Er ging auf’s Klo und spülte drei Rollen Klopapier dezent herunter, so dass nun alles verstopft war. Der nächste Fluggast wunderte sich über den „Springbrunnen“ und meldete das der Stewardess.

Der Weißbär bekam das „zufälligerweise“ mit und fragte:

„Halten wir jetzt in Grönland?“

Die Stewardess war verwirrt. „Ich weiß nicht so recht. Aber wir sind ja auch in zwei Stunden in New York.“

Der Weißbär dachte sich: ‘Was will ich denn in New York? Ich will nach Hause und sonst gar nichts.’

Der Weißbär ging nun vor zum Piloten. Er sagte zum Piloten:

„Entweder wir landen in Grönland, oder ich erzähle Ihrer Frau von Ihrem Verhältnis mit der Stewardess.“

Der Pilot wunderte sich, woher der Weißbär das wissen konnte. Aber solche Verhältnisse sind nach Meinung des Weißbären ja normal.

„Na gut.“ sagte der Pilot. So kam der Weißbär doch gleich in Grönland an, wo er sich jetzt erst einmal beim Angeln erholen will.  

Hiermit ist auch diese Episode beendet. Der Weißbär freut sich schon darauf, wenn Ihr Euch auch das nächste Abenteuer von ihm reinzieht.

Produced 3. August bis 17. November 1998 in London / Great Britain (direkt vor Ort) and Germany (electronic execution)

© 17.11.1998 by Thomas Bunge Production

All rights reserved.

Wir danken:

Einem Taxifahrer (und möchten uns bei ihm für die Unannehmlichkeiten entschuldigen), einem Chauffeur, Jane at Victoria Station, einen Piloten (bring Deiner Frau einen Strauß Blumen mit), einem Restaurantmanager (wie naiv bist Du eigentlich?), und einem Unbekannten, welcher die Toiletten in der Concorde vernachlässigte und somit die Reise des Weißbären überhaupt erst möglich machte.

Fazit: Obwohl der Weißbär nur zufällig nach London gekommen ist, traf er dort unerwartet auf eine große Menschenmasse. Andererseits war auch das Auftreten des Weißbären für die Menschen unerwartet. Somit also Vorsicht beim nächsten Grönlandbesuch. Der Weißbär behauptet zwar, nicht nachtragend zu sein, aber im Falle des Menschen würde er gerne Eine Ausnahme machen.

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